Let’s Face it – das Spiel mit der Fassade

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Blog Freilichttexterei
Der Mensch hat viele Gesichter, denn wir bestehen nicht nur aus Haut, Fleisch und Knochen. Die Kunst besteht darin, die Fassaden nicht zur Manipulation der Umwelt oder der eigenen Identität zu missbrauchen, sondern um die Vielfalt der Welt zu genießen.

Eine Fassade schützt nicht nur Häuser und deren Bewohner, sondern auch die eigene Person. Aber eine Fassade bietet nicht nur Schutz, sondern ist manchmal auch notwendig, damit man etwas besser verkaufen kann. Das trifft sowohl auf Architektur als auch die eigene Person zu. Wenn ich jemanden neu kennenlerne oder es um einen Auftrag geht, zeig ich mich von meiner besten Seite. Und die beste Seite ist in dem Fall die, die am besten zum Gegenüber passt. Wenn sich mein Gegenüber für Sport interessiert, rede ich über Sport. Ich kann mich aber auch über Kunst, Gesellschaft, Technik oder Politik unterhalten und wenn ich keine Ahnung von einem Thema hab, lass ich es mir gerne von meinem Gegenüber erklären.

Um mich auf meine Umwelt einzustellen, muss ich mich aber nicht verstellen. Die Welt ist komplex, genauso wie der Mensch. Deshalb wähle ich je nach Situation den passendsten Teil meiner Persönlichkeit.

Manchmal wünsch ich mir, dass mir diese Entscheidung abgenommen wird. Das mich jemand an die Hand nimmt und durchs Leben führt. Dann sehn ich mich auch nach einfachen Antworten auf komplexe Fragen, obwohl ich mich damit abfinden kann, dass es die oftmals nicht gibt. Ich muss nicht wissen, was der Sinn des Lebens ist, sondern versuche es zu genießen und nicht nach Antworten zu suchen, die mir niemand geben kann. Krieg, Klimawandel und die Schere zwischen Arm und Reich sind Probleme, die wohl nie gelöst werden. Für die es keine realisierbare Lösung gibt, sondern die eine stabile Balance benötigen. Und diese Balance brauch ich auch beim Spiel mit den eigenen Facetten. Authentisch zu sein, bedeutet nicht, dass man immer gleich ist. Viel mehr muss man in der Lage sein, den eigenen Gefühlen entsprechend, zwischen den Facetten zu wechseln.

Lesetipp:

„Die Vereindeutigung der Welt. Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt“ von Thomas Bauer, Reclam 2018.

Balance und Gerechtigkeit sind allerdings keine natürlichen Gegebenheiten. Sie entwickeln sich nicht automatisch. Man muss immer wieder daran arbeiten, um das Gleichgewicht zu erhalten. Das zeigt sich in der Welt, wie in der eigenen Persönlichkeit. Wie erhält man die innere Balance ohne zu sehr von einer Seite auf die andere zu schaukeln und sich selbst zu zerreißen? Ich schaffe es, indem ich meiner Intuition vertraue. Wenn ich beispielsweise ein Bild male, zerreißt es mich innerlich. Ich schwanke zwischen Hass und Liebe auf mich und das Werk. Denn der Zustand, den ich beim Entstehungsprozess einer Arbeit auf der Leinwand sehe, entspricht nicht immer der Idee in meinem Kopf. Stattdessen ist es wie bei einem Puzzle. Eine Arbeit entwickelt sich Stück für Stück zum Kunstwerk. Im Gegensatz zum Puzzeln (das ich hasse) hab ich beim Malen aber keine vollständige Vorlage. Ich weiß nicht, wie das Werk am Ende aussehen wird. Ein Werk muss sich entwickeln, weil ich kein Bild, sondern eine Idee, ein Gefühl, vermitteln will. Wenn ich mit dem Bild fertig bin, stimmt idealerweise das Bild auf der Leinwand mit dem in meinem Kopf überein. Der Weg dahin ist ein Kampf, den ich nicht immer gewinne.

Dieser Arbeitsprozess spiegelt sich auch in meinem Leben wider. Ich puzzle mich von Werk zu Werk und frag mich, wann ich zur Ruhe komme. Eine ruhige Rente ist nicht in Sicht. Sich auf meine eigenen Gefühle zu verlassen, ist mein einziger Trost.

„Aber dieses Gefühl das bleibt seltsam, denn es fühlt sich an als würde die ganze Sache komplett ins Leere laufen. So als wäre da zwar eine klare Stossrichtung welche sich auch aus der Vergangenheit ableiten und mit Blick auf diese in die Zukunft extrapolieren lässt. Das Problem ist nur, dort am Ziel ist dann keine Zukunft, sondern nur ein großes Nichts, nicht einmal mehr Wände gegen die man laufen oder anrennen könnte.“

Feelings matters von Florian Kuhlmann

Kunst ist für mich keine Therapie, sondern die Chance mich mit meinen Gedanken, Gefühlen und Träumen auseinanderzusetzen. Das ist keine ungewöhnliche Arbeitsweise. Viele Kunstwerke verarbeiten menschliche Probleme, Vision, Gedanken oder Probleme und die Kunst kann deshalb dem Betrachter dabei helfen das eigene Dasein zu reflektieren. Viele Arbeiten, die für den Kunstmarkt geschaffen werden, schaffen das allerdings nicht. Der Kapitalismus gewinnt auch in der Kunst an Macht und könnte vieles zerstören. Denn dem Markt sind die Inhalte egal. Kunst verkommt zum Spekulationsobjekt. Dabei müssen Kunst und Konsum kombiniert werden, um den Künstlern finanzielle Sicherheit zu ermöglichen. Aber die Balance aus Oberflächlichkeit und Komplexität darf nicht verloren gehen.

Wie bringt man Kunst und Konsum in Einklang?

Keine Ahnung.

Die folgenden Absätze geben ebenfalls keine Antwort, haben nichts mit dem eigentlichen Inhalt zu tun und wurden deshalb gestrichen.

Kunst ist ein Luxusgut auf das man verzichten kann. Mag sein. Mag auch sein, dass der Preis für ein Kunstwerk überzogen scheint. Das ist teilweise auch der Fall, aber oftmals entspricht er der Arbeitszeit und dem Materialaufwand. Und wenn ein Kunstwerk in Deutschland produziert wird, ist der Arbeitslohn natürlich höher als bei einem Smartphone, das in Asien produziert wird. Theoretisch könnte man auf die meisten materiellen Güter verzichten. Wir kaufen Gegenstände, weil wir uns darüber und daran erfreuen. Weil sie uns etwas Neues versprechen und wir nicht mit dem Status Quo zufrieden sind. Manchmal sollte man aber auch auf Dinge verzichten, denn bigger ist nicht immer better.

Um mir den Verzicht zu erleichtern, beschäftige ich mich einfach mit anderen Dingen. Meist mit Dingen, die ich noch nicht kenne, weil ich dadurch auch etwas Neues bekomme: eine neue Facette. Wenn ich mich zwischen mehreren Dingen entscheiden muss, wähle ich das, was mir am längsten etwas Neues bieten kann. Denn ich will nicht nur meine Nase irgendwo zum Rumschnüffeln reinstecken, sondern hau gerne den Kopf durch die Wand. Bis zuletzt hab ich mich intensiv mit YouTube Videos beschäftigt. Aktuell steht das Lauftraining im Vordergrund, weil ich im nächsten Jahr meinen ersten 100 Kilometerlauf absolvieren möchte. Und dazwischen beschäftige ich mich immer wieder mit anderen Projekten, wie diesem Blog oder meinem Podcast.

Ich arbeite an unterschiedlichen Projekten, damit ich nicht an einem einzelnen Projekt verzweifle und zwischen komplexeren und einfacheren Ideen wechseln kann, wenn der Hass auf ein Bild oder die eigene Unfähigkeit, die Ideen aus dem Kopf auf die Leinwand zu bringen, zu groß ist. Mir ist aber wichtig, dass ich nichts vergrabe oder vor etwas davonlaufe, sondern alles sammle und auch auf die Erfahrungen von Ideen, die vielleicht gescheitert sind, zurückgreifen kann.

Genauso gehe ich mit meinen Facetten um. Ich kann nicht alle Teile meiner Persönlichkeit gleichzeitig betrachten, verarbeiten oder anderen offenbaren. Dafür hat der Mensch zu viele Gesichter. Positive, wie negative. Ich muss nicht immer strahlen und mich nicht immer wohl fühlen, sondern kann auch Schmerzen aushalten und vertrau meiner Intuition, wann der Zeitpunkt gekommen ist, die Fassade zu wechseln.

Disclaimer

Sämtliche Artikel sind Kommentare und meine subjektive Sichtweise. Es sind weder Lebensweisheiten, noch Wahrheiten, sondern Gedanken, die mal mehr, mal weniger ausführlich sind und für deren Weiterverarbeitung jeder Leser selbst verantwortlich ist.

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