Vor ein paar Jahrzehnten gab es nachts kein TV Signal, sondern nur ein rauschendes Bild. In der Zwischenzeit können wir uns 24/7 von Medien berauschen lassen und Konzerne haben großes Interesse daran uns möglichst lange an ihre Angebote zu binden. Je höher die Einschaltquote bzw. die Zugriffszahlen umso attraktiver können Angebote vermarktet werden – sei es als Werbeplattform, Verkaufsplattform oder um die Nutzerdaten auszuwerten.
In sozialen Netzwerken herrscht ein permanentes Rauschen, weil laufend neue Inhalte ins Netz gestellt werden. Das führt bei manchen dazu, Angst zu haben etwas zu verpassen. Je höher der Druck und je mehr wir konsumieren, umso schwieriger wird es die auf uns einwirkenden Reize zu verarbeiten. Durch die Technisierung sind Prozesse so sehr beschleunigt worden, dass es schwer ist alle Entwicklungen parallel zu beobachten und rational zu verstehen.
Wie mit den ganzen Reizen umgehen?
Unser Bewusstsein umfasst kognitive Fähigkeiten, die dabei helfen unsere Widerstandsfähigkeit zu erhöhen und besser mit Reizen umzugehen. Das gelingt beispielsweise indem wir Wissen (rationales Denken), Empathie (emotionales Denken) und Fantasie (künstliches Denken bzw. artificial thinking) kombinieren und dadurch bewusster Denken und Handeln. Eine Anleitung dafür gibt es nicht, weil wir Emotionen, Fantasie, Träume und Albträume individuell verarbeiten. Ich versuche meine Sensibilität zu erhöhen, indem ich mich mit Randbereichen und Extremsituationen auseinandersetze, offen mit meinem Umfeld kommuniziere und meiner Intuition vertraue.
Rational kann ich viele Entscheidungen in meinem Leben nicht erklären. Es lag beispielsweise nicht an mangelndem Interesse oder schlechten Noten, dass ich mein Architekturstudium abgebrochen hab, um Kunstgeschichte zu studieren. Zur Gestaltung und Programmierung von Webseiten bin ich ebenfalls zufällig gekommen und den Entschluss eine Kunstgalerie zu eröffnen, könnte ich zwar rational für einen Pitch in 30 Sekunden erklären, die Erklärung würde aber dem realen Entscheidungsprozess nicht gerecht werden.
Warum, Wieso, Weshalb?
Wir können nicht alles mit Worten erklären. Manchmal helfen Taten, aber wenn Emotionen, Bilder, Töne oder Farben zur Antwort werden, wird es schwer anderen das eigene Denken und Handeln mit Worten zu erklären. Entscheidungen sollten wir trotzdem nicht kopflos treffen. Je mehr Parameter wir in unser Handeln einbeziehen können, umso bewusster entscheiden wir. Dazu gehört nicht nur Wissen, Empathie und Fantasie, sondern auch die Rückmeldung von Freunden, Familie oder Fremden.
Ich hab beispielsweise Anfang des Jahres eine Podcastfolge vorbereitet von der ich inhaltlich überzeugt war, aber unsicher, ob ich sie veröffentlichen soll. Ich hab mehreren Freunden das Konzept geschickt und die Mehrheit hat mir versichert, dass der Inhalt für eine Veröffentlichung geeignet sei. Trotzdem hab ich die Folge nicht veröffentlicht, weil das Feedback einer Person meine Zweifel bestärkt hat und ich kein gutes Gefühl hatte. Rückblickend die richtige Entscheidung, die ich jetzt auch rational begründen könnte, obwohl ich sie damals nicht rational getroffen hab.
Ich glaube, und darin geht es in meinem Buch „Artificial Thinking. Gedanken über den Weg zum Visionären“, dass die Mischung aus rationalem, emotionalen und künstlichem Denken unser Bewusstsein schärft. Künstliches Denken bzw. Artificial Thinking nutze ich als Begriff, um deutlich zu machen, dass wir unsere Fantasie in unsere Entscheidungen einbeziehen können. Nicht um sie in rationale Prozesse zu integrieren, sondern als eigenständige Form des Denkens.
Das Metaverse hat das Potential in so viele Bereiche unseres Denkens und Handels vorzudringen, dass ich überzeugt davon bin, dass wir es rational nicht verarbeiten können und es wichtig ist, dass wir uns unserer Fantasie und Empathie bewusst sind, um einer bevorstehenden Reizüberflutung standzuhalten.