Was am Ende übrig bleibt?

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Am Ende des Jahres bin ich vermutlich über 13.000km mit dem Fahrrad gefahren. Ich war in Berlin, Freiburg und München. Im nächsten YouTube-Video werfe ich einen Blick zurück auf das vergangene Jahr. In diesem Text möchte ich nach vorn schauen und frage mich: was bleibt am Ende übrig?

2020 ist das Corona-Jahr. Viele Veranstaltungen sind ausgefallen, ich hatte weniger Kontakte zu Menschen und mit Menschen war Corona oftmals das Hauptgesprächsthema. Als ich im Mai bei der Eröffnungswoche der Goldenen Idee, einem Workshop-Raum und Eventlocation in Düsseldorf, für ein Interview zu Gast war, wurde ich von den Inhabern Sabine und Jørn Rings gefragt, ob Corona meine künstlerische Arbeit beeinflusst hat oder beeinflussen wird. Ich hab es verneint. Es beeinflusst mich zwar, aber nicht mehr und nicht weniger wie jedes andere Ereignisse. Jeder Tag, jede Stunde, jede Minute und Sekunde verändern mich. Ein Text, ein Gespräch, ein Bild oder ein Gedanke verändern meinen Blick auf die Welt.

Viele haben Corona als Brennglas bezeichnet, das Missstände und Verfehlungen vergrößert und sichtbar macht. Das hat die Pandemie nicht nur bei Gesellschaftsfragen, der Wirtschaft oder Politik, sondern ich konnte es auch an mir persönlich beobachten. Ich hatte bereits vor der Pandemie den Plan 2020 nur mit dem Fahrrad zu verreisen. Deshalb hab ich mich bereits im letzten Jahr damit beschäftigt, wie ich die geplanten Veranstaltungen, den METRO Marathon in Düsseldorf, den Dolomiti Extreme Trail in den Dolomiten und weitere Läufe im Frühjahr, Sommer und im Herbst, mit dem Fahrrad erreichen kann. Mein komplettes Jahr war durchgeplant.

Dabei plan ich normalerweise nicht so weit in die Zukunft. Natürlich mach ich mir Gedanken, wie ich ein Projekt umsetze und wie die Zukunft aussehen könnte, aber ich lasse mir immer viel Freiraum, um Pläne kurzfristig zu ändern und möglichst flexibel zu bleiben.

Durch die Pandemie war diese Flexibilität wieder erforderlich. Und ich hab es genossen. Der März hat mich befreit. Alle Pläne waren vom Tisch. Ich hatte zwar die Hoffnung, dass einige der Läufe stattfinden, bin aber bereits davon ausgegangen, dass pandemiebedingt alles abgesagt wird. Ansonsten hätte ich aber bestimmt auch einen Weg gefunden, um zu den Veranstaltungen mit dem Rad zu fahren.

Am Ende wird die Erkenntnis fett

Trotz dieser Befreiung hab ich das ganze Jahr den Gedanken mit mir rumgetragen, welchen Sinn dieses Projekt hat. Ob ich es nur für mich mache oder welche Gedanken ich den Leser:innen und Betrachter:innen vermitteln möchte.

Im Herbst hatte ich überhaupt keine Lust mehr. Das Fahrrad fahren ist mir weniger körperlich, sondern viel mehr mental sehr schwer gefallen. Ich hab mich bei Freund:innen beschwert und wurde mehrfach gefragt, warum ich weitermache, statt mich zu befreien. Es wäre keine Befreiung gewesen, wenn ich aufgehört hätte. Ich war mir sicher, dass noch etwas kommt. Ich hab kein Problem damit Projekte abzubrechen. Es fällt mir natürlich schwer, aber scheitern gehört zum Leben dazu, deshalb darf man das auch öffentlich eingestehen. Im Gegensatz zu den Radtouren, die ich abbrechen musste, gab es im Herbst aber keinen Grund abbrechen zu müssen. Ich konnte weiterzumachen. Und was sich daraus in den letzten Tagen und Wochen entwickelt hat, war es wert.

Wer meine Instagram-Story anlässlich des 100. YouTube-Abonnenten gesehen hat, konnte einen kleinen Auszug meiner Euphorie hören; wer nicht, kann das auf meinem Instagram-Profil in den Story-Highlights nachholen. Seit ein paar Tagen habe ich das Gefühl auf einer Wolke zu schweben. Wie sich die zusammengebraut hat, kann ich genauso wenig erklären, wie den Sinn und Unsinn von Kunst, aber ich hab aktuell täglich das Gefühl mein Radprojekt besser einordnen zu können.

Es war körperlich und mental sehr anstrengend. Ich hatte dieses Jahr kaum Ruhetage. Wenn ich zwei Tage nacheinander keinen Sport gemacht hab, lag das daran, dass ich verletzt war. Deshalb hab ich während meines herbstlichen Tiefs beschlossen 2021 mit einer Ruhewoche zu beginnen. Dann hab ich einen Artikel übers Fasten und das Fastenhoch gelesen. Ein Zustand der kompletten Klarheit nachdem man sich durch die ersten Tage ohne Nahrung gequält hat. Eine Freundin hat mir diesen Vorgang bestätigt und ich hab mir deshalb fest vorgenommen im nächsten Jahr zu fasten. Nicht in meiner Ruhewoche, aber vielleicht im Anschluss daran.

Aktuell frage ich mich, ob ich grade einen ähnlichen Prozess erlebe. Für meine Euphorie gibt es zwar auch andere Gründe, aber den Ursprung kann ich mir nicht erklären. Und unerklärlich bleibt mir die Klarheit mit der ich aktuell viele Themen bedenke und bearbeite. Aber es ist ein schönes Gefühl. Ein sehr schönes. Ich weiß zwar nicht, wie ich es teilen kann, aber ich versuche es zumindest in meinem Umfeld. Und wenn ich es durch Worte und Bilder auch ein bißchen bei Betrachter:innen dieses Projekts schaffe, wäre das schon ein Erfolg. Kunst soll berühren. Egal in welcher Form.

Ich hab mich außerdem dafür entschieden dieses Projekt mit einem Werk zu beenden, weil das zum Kunstprozess gehört. Ich hab mich zwar noch nicht dafür entschieden, welche Form es hat – ob es ein Text, ein Bild oder ein Video wird – aber es wird noch ein Kunstwerk geben. Einerseits für mich, damit ich das Jahr rekapitulieren kann und andererseits für alle, die mich dabei begleitet haben.

Als nächstes wird es einen Jahresrückblick geben, der zeigt, was ich alles erlebt hab. Ich hoffe, dass dieser Text dazu beigetragen hat mehr zu sehen. Bilder sind schön, aber Worte ermöglichen es Bilder zu zeichnen, die kein Gemälde, Foto oder Video abbilden kann. Natürlich entstehen auch bei Bildern bei Betrachter:innen Assoziationen, aber Wörter sind visuell unbelastet. Und bei diesem Projekt ging es mir nicht um Bilder. Ich hab zwar Landschaftsaufnahmen und Erfahrungsberichte bei YouTube veröffentlicht, aber am Ende bleibt von diesem Jahr als Erinnerung in meinem Kopf eine Wolke. Eine Wolke in der ich jedes Mal etwas anderes entdecke, wenn ich sie anschaue und mich darüber freue, dass ich sie jederzeit in meinem Kopf betrachten kann. Vielleicht bleibt am Ende auch bei Betrachter:innen eine Wolke – dafür ist aber jede:r selbst verantwortlich.

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